Der eher auf europäische Verhältnisse zugeschnittene ID 3 war erst die elektrische Vorhut, mit der ID Numero Vier gingen die Wolfsburger so richtig ins Eingemachte, sie starteten damit ihr erstes E-Weltauto.

Der ID 4 wird, anders als der ID 3, nun auch in den USA und Asien, also im weltweit größten und beliebtesten Marktsegment der Kompakt-SUV angeboten. Und das gleich mit acht Modellen, zwei Batteriegrößen, WLTP-Reichweiten von bis zu 520 Kilometer und Elektromotoren in drei Leistungsstufen. Schief gehen darf da nichts mehr.


Der ID 4 ist ein stattlicher Crossover mit bulligem Body, der mit 4,58 Metern Länge sogar den VW Tiguan übertrifft, dank 2,77 Metern Radstand im Innenraum aber, vor allem auf der Rückbank, beinahe die Geräumigkeit eines Touaregs bietet. Die erhöhten Sitze ermöglichen einen bequemen Einstieg für alle Passagiere sowie eine gute Übersicht. Der Kofferraum schluckt 543 Liter, nach Umklappen der Lehnen sind sogar 1575 Liter drinnen. Was allerdings fehlt, ist eine verschiebbare Rückbank. Dafür darf man auf die serienmäßige Dachreling bis zu 75 Kilogramm draufpacken und eine Tonne an der Anhängekupplung ziehen.

Auffällig ist die im Vergleich zum ID 3 deutlich bessere Materialqualität. Hartes Plastik findet man nur an uneinsehbaren Stellen. Unterschäumte Flächen in der oberen Instrumententafel, gepolsterte Armauflagen und angenehm weiche Türbinnenseiten schmeicheln den Fingern. Bis auf das Leder am Lenkrad sind sämtliche Bezüge ganz trendy aus „veganen“, also künstlichen, Materialien. Die zwölffach elektrisch einstellbaren AGR-Sitze mit Massagefunktion unseres Testwagens schreien nach Langstrecke. Leider lässt sich über das gesamte Dach reichende Panoramafenster nicht öffnen. Das sieht zwar toll aus, ist aber leider im Sommer eine Qual und sorgt für erhöhten Stromverbrauch durch die dauernd laufende Klimaanlage.

Bereits aus dem ID 3 bekannt ist das sogenannte „ID Light“, dessen Lichtband unter der Windschutzscheibe Fahrbereitschaft, Bremsaufforderungen oder Ladezustand der Batterie anzeigt. Bei Abbiegehinweisen der Navigation läuft sogar zweimal über die gesamte Breite ein Lichtimpuls in die angezeigte Richtung – daran gewöhnt man sich schnell und gerne.

Multimedia und Infotainment sind ebenfalls eins zu eins aus dem ID 3 übernommen.

Soll heißen: ein freistehender, zehn Zoll großer Bildschirm auf der Mittelkonsole und kaum Knöpfe, dafür umso mehr Touch-Flächen mit Smartphone-Bedienlogik, mit denen der Fahrer Telefonie, Navigation, Entertainment, Assistenzsysteme und Fahrzeug-Setups managt. Dabei übertreibt es VW fast mit der Sliderei: Die unter dem Display liegenden Slider für Lautstärke und Temperatur sowie die haptisch nicht zu “dergreifenden” Tasten am Lenkrad haben wir noch immer nicht lieben gelernt.

Sehr cool: Augmented Reality im Head-up Display

Was schon nach wenigen Kilometern auffällt, ist der leichte Fuß, mit dem der Stromer unterwegs ist. Und das bei immerhin deutlich mehr als 2,1 Tonnen Gewicht.

Der Modulare Elektrobaukasten (MEB), in dessen Alu-Rahmen bis zu zwölf Batteriemodule stecken, wiegt mit zusätzlichen 344 respektive 493 Kilogramm nicht nur schwer, sondern sorgt auch für einen tieferen Schwerpunkt und damit für ordentliche Balance bei Kurvenfahrt. So zieht der ID 4 unbeirrt seine Bahnen, das gekonnt abgestimmte Fahrwerk, das ebenso komfortabel wie spurlos Asphaltabrisse, Bahnübergänge und selbst übelstes Kopfsteinpflaster glatt bügelt lässt sogar 21 Zoll große Räder ohne Komforteinbußen zu. Selbst wenn es mal schneller durch die Kurve gehen sollte, halten adaptive Dämpfer und die Progressivlenkung (Sportpaket Plus) das Dickschiff immer sicher auf Kurs. Wer möchte tunt sich seinen ID 4 per Fahrprofilauswahl in den Modi Eco, Comfort, Sport und Individual fein.

Anders als der schwere Energiespeicher ist der Elektromotor des ID 4 ein Leichtgewicht. Der PSM-Motor (permanent erregte Synchronmaschine) wiegt inklusive Getriebe gerade mal 90 Kilogramm und passt in eine Sporttasche. Entsprechend platzsparend liegt er im Heck auf der Hinterachse. Unser Testwagen war mit dem stärksten der drei Leistungsstufen ausgestattet – er bringt 204 PS (150 kW) an die Hinterräder und wird von einem 77 kWh leisteten Akku gespeist.

Aus dem Stand stehen 310 Newtonmeter Durchzug bereit, die den großen Wagen nahezu lautlos, bei Bedarf auch vehement in Bewegung setzen. In 8,5 Sekunden sind Tempo 100 erreicht, bei 160 km/h wird sinnvollerweise elektronisch abgeregelt. Nach WLTP soll der E-Motor dabei 18,9 bis 17,7 kWh auf 100 Kilometer aus den Lithium-Ionen-Zellen saugen. Im Test lagen wir mit rund 20 kWh nicht weit daneben. Normal gefahren schafft man somit – zumindest bei moderaten Temperaturen – immer über 300 Kilometer. Fährt man “bewusst elektrisch” sollten aber auch locker 400+ Kilometer drinnen sein. Reichweitenangst ist also beim VW ID 4 kein Thema – zumal auch das Laden relativ flott vonstatten geht.

Alle ID 4 Versionen bringen einen CCS-Ladeanschluss (Combined Charging System) für das schnelle Laden mit Gleichstrom mit. Unser Spitzenmodell schafft dabei bis zu 125 kW, womit nach WLTP in rund einer halben Stunde wieder bis zu 320 Kilometer drin sein sollen. Das größte Problem am Laden ist aber nicht der ID 4, sondern das noch immer mehr als dürftige Ladenetz in Österreich. Einen 125 kW Lader muss man erst einmal finden.

Fazit

Mit dem ID 4 hat VW ein tolles Weltauto auf die Räder gestellt. Der Wagen ist modern gezeichnet, strotzt nur so mit Platz und liefert auch reichweitenmäßig ordentlich ab. Voraussetzung ist allerdings der Griff zur Topausstattung Pro Performance – diese bietet ordentlich Power und schwächelt auch bei der fast wichtigsten Disziplin nicht – dem Aufladen. Dass die Lade-Infrastruktur hierzulande noch ziemlich mau ist, dafür kann der VW ID 4 nichts. Leider wird man dadurch aber von ausufernden Urlaubsfahrten derzeit noch absehen – das könnte in die Hose gehen oder zu einer Familienkrise während der Ladepausen führen.

Daten VW ID 4 Pro Performance
Motor: permanenterregter Synchronmotor
Leistung: 204 PS (150 kW)
Drehmoment: 310 Nm
Batterie: Lithiumionenbatterie, 77 kWh
Vmax: 160 km/h (abgeregelt)
0 auf 100 km/h: 8,5 Sek.
Testreichweite: 380 km
Preis: ab 47.540 Euro

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